Beim einem der letzten Verkaufsgespräche fragte mich ein Kunde mit kritischem Ton, ob ich meinen Honig denn auch kalt schleudern würde. Dies sei für ihn ein absolutes Kaufkriterium. Denn wie bei kalt gepressten Ölen sei nur der kalt geschleuderte Honig besonders hochwertig. Da ich selbstverständlich nur Honig von höchster Qualität anbieten möchte und ich mir nicht ganz sicher war, ob ich meinen Honig nun eisgekühlt schleudern müsste, um diesem Kaufkriterium gerecht zu werden, nahm ich dieses Gespräch als Anlass, dem vermeintlichen Qualitätsmerkmal des kalten Schleuderns genauer auf die Spur zu gehen.
In Deutschland ist – wie könnte es anders sein – rechtlich genau festgelegt, welche Bezeichnung ein Honig tragen darf. Seit 2011 ist nach den Leitzsätzen des Deutschen Lebensmittelbuchs für Honig die Kennzeichnung mit dem Merkmal „kalt geschleudert“ nicht mehr zulässig. Dennoch ist dieses früher sehr häufig gebrauchte Merkmal vielen Kunden anscheinend im Gedächtnis geblieben und ein Auswahlkriterium.
Um zu verstehen, was es mit dem Begriff des „kalten Schleuderns“ auf sich hat, muss man einen Blick auf die imkerliche Betriebsweise der Vergangenheit werfen:
Ursprünglich wurden Bienen in Strohkörben gehalten. In diesen errichteten die Bienen ihre Waben im Naturbau. Das heißt sie bauten ihr Brutnest so geordnet, wie sie es für richtig hielten und nicht nach den Vorgaben des Imkers.
Um bei der Korbimkerei den Honig aus den Waben zu ernten, ließ man ihn zum Teil aus den noch stockwarmen Waben heraustropfen (sog. „Tropfhonig“). Diese Methode eignet sich aber nicht bei zähflüssigen Honigen, die deshalb aus den – meist erwärmten – Waben herausgepresst wurden (sog. „Press- oder Seimhonig“). Zum Teil wurden die Waben aber auch samt dem Honig durch hohes Erhitzen eingeschmolzen, wodurch sich Wachs und Honig voneinander trennten und der flüssige Honig abgelassen werden konnte.
Erst im Jahre 1853 wurde von dem deutschen Bienenforscher Freiherr von Berlepsch in Kontinentaleuropa das bewegliche Wabenrähmchen erfunden. Dieses sind kleine Holrahmen, in welche die Bienen ihre Waben nun in Reihen geordnet bauen. Da die Rähmchen aus dem Bienenstock herausgenommen werden können, lassen sich dem Volk auch die darin gebauten Waben mit dem Honig entnehmen. Diese Erfindung war eine wahre Revolution in der Imkerei und bereitete den Weg für eine weitere bahnbrechende Erfindung: Im Jahre 1865 wurde von Major von Hruschka die Honigschleuder erfunden, bei der mithilfe von Zentrifugalkräften der Honig aus den Waben geschleudert wird (hier gehts zum Beitrag über das Honigschleudern). Die Waben lassen sich daher nicht nur aus dem Volk herausnehmen und wiedereinsetzen, sondern müssen bei der Honigernte auch nicht mehr zerstören werden.
Wichtiger aber ist, dass der Honig bei der Ernte mittels der Honigschleuder nicht erhitzt werden muss. Denn durch ein starkes Erhitzen auf Temperaturen über 40 °C gehen die im Honig enthaltenen Vitamine und Enzyme verloren, wodurch der Honig deutlich an Qualität verliert.
Um den nicht erwärmten Schleuderhonig von bei der Ernte erhitzen Honigen abzugrenzen, wurde von der Lebensmittelbuch-Kommission einst das Qualitätsmerkmal „kalt geschleudert“ eingeführt.
Da heute nahezu jeder Imker seine Waben ausschleudert und dies stets bei Raumtemperatur geschieht, bezeichnet das Merkmal „kalt geschleudert“ also keine besondere Qualität mehr. Es ist vielmehr eine Selbstverständlichkeit, dass der Honig bei der Ernte nicht besonders erwärmt wird. Sollte ein Imker Euch aber dennoch mit „kalt geschleudertem“ Honig locken wollen, dann denkt daran: alles Bauernfängerei!